2023-10-26

Auswertung der Bewohnerumfrage

Foto Marina Bykova

Dank der Beteiligung von mehr als 100 Bewohner an dem Kaki Kultur Kick-Off konnten wir eine Menge an Gedanken, tollen Ideen, wie auch viele konstruktive Anmerkungen einsammeln. Die von 80 BesucherInnen während der 3 Stunden ausgefüllten Umfragen wurden nun ausgewertet. Da die Veranstaltung durch mehrere Plakate, 250 Flyer mit Briefkasteneinwurf, sowie Zeitungsartikel angekündigt war, halten wir die Ergebnisse als eine aussagekräftige und ziemlich genaue Stimme der Bewohner. Die Zahlen in diesem Eintrag wurden durch die mitgeteilten Äußerungen und Kommentare ergänzt. Bonne lecture: 


67% der Befragten wohnt in der Westvorstadt. Die Beteiligung kam aus allen Weltrichtungen um den Platz: die Straßen Hoffmann-von-Fallersleben-, Washington-, Paul-Schneider, Abraham-Lincoln-, Richard-Wagner- und die Steubenstraße waren vertreten. 22% wohnen woanders in Weimar und nur 3% außerorts. 44% nutzen den Platz täglich, 30% wöchentlich, 6% mindestens einmal im Monat, nur 20% seltener. Es ist uns also eine ganz lokale Umfrage gelungen: eine Stimme der WeimarerInnen (97%) und tatsächlichen NutzerInnen des Platzes (80%). 



Auf die Frage 'Was ist der August-Frölich-Platz für Sie heute?' antwortete die Mehrheit: ein Raum zum Queren, eine Kreuzung.   Nur 21% bestätigen es als Treffpunkt und das meistens dank der bekannten Kuchenmanufaktur. Einige Personen haben es als einen wunderschönen Platz - mit dem Vorbehalt: künftig, "to be", bzw. mit großem Potenzial bezeichnet. Außerdem spielt natürlich die katholische Kirche eine Rolle, da der Platz für mindestens 10% der Beteiligten einfach ein Platz vor der Kirche ist. 

Dass der Platz für 54% der Beteiligen ein Ort zum Queren ist, bestätigt die zentrale geographische Lage, sowie funktionelle Rolle des Platzes für die Westvorstadt. Man ist hier auch, wenn man es nicht unbedingt vor hat: eine natürliche Voraussetzung für einen lebvollen Bezirksplatz. Für ein gesundes Nachbarschafts-leben müssen aber ganz deutlich zuerst die Voraussetzungen am Ort selbst geschafft werden.

Gefragt nach besonderen vergangenen Aktivitäten, konnten nur wenige genannt werden. Viele erinnern sich an den jährlichen Laternenumzug am St. Martins Tag. Es ist tatsächlich ein wunderschönes Fest von überlokalen Bedeutung, welches zur Identifizierung mit dem Ort beiträgt. Außerdem konnten nur Boule spielen und Kaffe/Kuchen genannt werden. Diese eher magere Zuschreibung von Bedeutungen mag klare Gründe haben. Diese zeichneten sich in der fünften Frage ab. Die darauffolgende Frage brachte auch eine klare Antwort: 



Nur 14% der Befragten fühlen sich sicher auf dem Platz, und das nur die jungen Erwachsenen. 46% fühlt sich ein bisschen gestresst, vor allem beim queren der breiten Fahrbahnen. Für 40% der Nutzer ist es kein angenehmer Ort um da zu sein, bzw. fühlen sie sich gar nicht sicher. Viele Erwachsenen haben hier das empfinden ihrer Kinder übermittelt. Mehrere ältere Bewohner haben die Unüberschaubarkeit der Querungsmöglichkeiten, bzw. die Länge der Übergänge als inakzeptabel bezeichnet. Und das alles mitten im Wohngebiet!  

Wie ganz oben beschrieben, haben wir uns die Mühe gegeben, mit der Initiative bei der breiten Bevölkerung anzukommen, damit ein möglich weites Spektrum an Bedürfnissen kommuniziert werden konnte. Bei der 6. Frage 'Wie wichtig ist es für Sie, dass der Platz verkehrsberuhigt wird?' war auch die Option gegeben sich für das Verbleiben der vorhandenen Verkehrssituation auszusprechen. Die fünfte Antwort 'es soll bleiben wie es ist' hat jedoch KEINE der 80 Anwesenden angekreuzt. 

57% fanden es sehr wichtig, dass der Platz im Namen zum tatsächlichem Platz, also mit einer sehr starken Verkehrseinschränkung, wird. Es gab hier zusätzlich viele Anmerkungen: "Bitte ohne Autos!", bzw. in der 5. Frage fanden sich überzeugende Begründungen des schlechten Empfindens des Platzes, wie: unklare Verkehrsregelung, Nichteinhaltung der "rechts-vor-links" Regel durch die Autofahrer, Irreführende Gestaltung der Fahrbahn, weil die Strecke zwischen Steuben- und Washingtonstraße durch Asphalt hervorgehoben wird, "Verkehr von allen Seiten!", etc.. Diese Gruppe der Menschen konnte sich häufig einen Platz sogar ganz ohne Straßenverkehr gut vorstellen. Diese Einstellung hat unsere Vorstellungen übertroffen und Mut gegeben ein Schritt gewagter zu denken.

Weiterhin fanden zusätzliche 28% die Verkehrsberuhigung wichtig. Zu der Gruppe zählen Personen, die sich wahrscheinlich eine Umgestaltung mit starken Einschränkung der Verkehrsflächen vorstellen. Laut unseren Rechnungen wäre eine Halbierung der Verkehrsfläche ohne Einschränkung des Verkehrsflusses (durch Wegfall von 3 Bushaltestellen und des zentralen Wendeplatzes) möglich. 

Für 12% der Befragten schien das Thema egal zu sein. Auf diese Gruppe kann die Qualität der anstehenden menschenfreundlichen Planung künftig vielleicht überzeugend wirken. Nur 2 von den 80 Befragten fanden die Verkehrsberuhigung für sie unwichtig. Alle Beteiligten waren somit aktiv für eine Umgestaltung des Platzes. Auf der zweiten Seite der Umfrage standen deshalb die nächsten Fragen:

Hier herrschte an einigen Stellen, trotzt ermöglichten Mehrantworten, wieder Eindeutigkeit: 

- 76 von den 80 befragten (95%!) brachten die Notwendigkeit von mehr Sitzgelegenheiten zum Ausdruck. Es scheint ein direkter Auftrag an die Stadtverwaltung zu sein und es hat uns gefreut, dass dieser Bedarf von Frau Dr. Kolb an Ort und Stelle persönlich entgegengenommen wurde.  

- 71% wünschen sich an dem Ort mehr Grün und Bäume. Damit der Platz in dem immer länger werdenden Sommer nicht wie eine Bratpfanne wirkt, hätte man hier vielleicht an die ursprüngliche Vision der Grünen Kette um die Kirche zugreifen können. Das wunderschöne Gebäude war ursprünglich tatsächlich von einem Baumring umgeben. Ein viertel davon wurde jedoch irgendwann aus mutmaßlich denkmalpflegerischen Gründen entfernt. Eine Idee wäre es auch verstellbare Töpfe mit Bäumen zur Abgrenzung des Straßenverkehrs an den zwischenzeitlich den Fußgängern zugeschlagenen Flächen zu nutzen. Das könnte mit einem Schlag ein dreifacher Gewinn sein: Sicherheit und Ambiente dank den Schattenspender. Drittens: auf dieser Weise während der Zwischenzeit adaptierten Bäume könnten nach erfolgten Planung an ihre Endstelle direkt auf dem Platz ausgepflanzt werden.   

- ein klarer 3. Platz ging an die Idee einer Straßenbibliothek in der Form eines Bücherschrankes. Ein tolles Ergebnis welches bestimmt noch besser mit den guten Sitzgelegenheiten, sowie reduziertem Verkehrslärm in Einklang gebracht werden könnte. Ein Lesergarten in der Verlängerung des Pfarrergartens wäre eine ansprechende Möglichkeit an Sommertagen.. 

- viele Befürworter (38% Angaben) fand das Thema Bewegung. Dank dem tollen Team der Parkour Leute wurde Calastenics den Anwesenden anschaulich gemacht. Viele konnten auch die mitgebrachten Geräte selbst ausprobieren und erleben, wie toll es ist auf frischer Luft Sportübungen zu machen. Einer der Nachbarn hat die Idee einer Calastenics Anlage für ältere Jugendliche und Erwachsenen an dem heute komplett (außer Hunde) ungenutztem grünem Dreieck südlich der Kirche vorgestellt. Diese wäre relativ unkompliziert, mit dem Vorbehalt es handelt sich um kein Kinderspielplatz, realisierbar, so die Stadtvertreterin.  

- die fünfte der am meisten gewählten Funktionen, die der Platz unbedingt erhalten soll, war Wasser. Das unter dem Platz im Kanalrohr fliesende Lottebach möge hoffentlich eines Tages das Tageslicht wieder sehen... Dies würde mit dem auch geäußertem Wunsch nach einem "Ort zum Entspannen" doch Hand in Hand gehen.  

Alle die fünf Funktionen könnten und sollten noch vor der großen künftigen (also ungewissen) Umgestaltung auf eine zeitnahe Umsetzung überprüft werden, da sie einem klaren Wunsch der Bewohner entsprechen. Die weiter aufgeführten Funktionen scheinen weniger zu brennen, da sie auch Bestandteile der Einrichtung eines schon funktionierenden städtischen Platzes sein könnten.

Eine ähnliche Zahl der Angaben (knapp unterhalb 1/3) befürwortete die Schaffung von neuen Spielgelegenheiten, Fahrradstellplätze, Kunstinstallationen, sowie die Veranstaltung eines Markts mit regionalen Produkten. 10% der Befragten befürworteten die Idee eines Pavillons für Nachbartreff. Es wurde auch das Thema der derzeit unzureichenden Beleuchtung angesprochen. Das sind also zusätzliche Themen die nach Beginn der Umplanung vielleicht nicht vergessen werden sollten. 

So kommen wir auch zu der 8. Frage in der die Befragten um Auflistung der möglichen Veranstaltungen oder Aktivitäten gebeten worden sind. Ein klarer Sieger in der Kategorie war der Flohmarkt! Zu den interessanten Ideen zählten auch das Freilichtkino und öffentliches Lagerfeuer (hoho!). Apropos, gab es schon ein Genius Loci an der katholischen Kirche? Natürlich mehrmals ausgedruckt war auch der klare Verbleib für den Boule-Platz! Außerdem waren Stichwörter wie Nachbarfest, Stadteilfest, Kindertagesfest, Familienfest häufig auf den Zungen. Alle diese Ideen wurden unter eine Schirmidee eines (jährlichen?) Platzfestes aufgenommen und vor Ort verkündet. 


Der Bedarf nach Alternativen zu den altstädtischen Festen scheint in der Westvorstadt da zu sein. Ein jährliches Platzfest könnte tatsächlich die Form eines großen Flohmarktes haben, da sich an sowas viele Familienhäuser gleich gerne beteiligen. Wir stellen uns aber auch vor, dass das eine geniale Gelegenheit sein könnte um alle in der Westvorstadt und natürlich auch in der ganzen Stadt sich entwickelnde Initiativen hier an einem Tag zusammen zu bringen und sich einander vorzustellen. "Gemeinsam sind wir stark!" und es ist schade, wenn viel Kraft in getrennte Gruppen-arbeit investiert wird ohne Erkundung der möglichen Synergien..  

In der 11. Frage haben wir um weitere Vorschläge für die Zeit bis zu dem großen Umbau gebeten. Die vielen tollen Stimmen lassen sich folgend zusammenfassen:
VERKEHR - "aus der Perspektive der Fußgänger denken!" schrieb eine Bewohnerin. Es ist ein inspirierender Hinweis zum Überdenken des Platzes vielleicht gar ohne Autos, bzw. mit Autos als Gast. Da der Platz von einem vollständigen Straßennetz umgeben ist, da er nicht zwingend als Abkürzung zwischen Steuben- und Erfurter Straße genutzt werden muss, wäre eine Umlenkung der großen Mehrheit des Verkehrs sicherlich denkbar.  
GUTE NACHBARSCHAFT - hohe Aufenthaltsqualität: ja, Partyzone: nein. Natürlich wollen wir die Bedürfnisse der Anwohner, die direkt auf den Platz blicken, erkennen und respektieren.       Die neuen Nutzungen sollen den aktuellen Verkehrslärm nicht übertreffen. Zum Thema Sorgen um einen zweiten Wielandplatz wird es auf diesem Blog einen besonderen Eintrag geben.
REZEPTE - man sagt, viele Köche verderben den Brei. Um eventuell widersprechenden Interessen entgegenzukommen, um einem planerischen Fiasko vorzubeugen, fangen wir schon jetzt an Rahmenforderungen an die Stadtplanung durchzudenken, in der Hoffnung, dass diese künftig auch an der richtigen Stelle verdaut werden. Dafür werden wir uns noch häufig am Platz sehen müssen. Und weil in vielen Häusern die Küche die zentrale Anlaufstelle ist, stellen wir uns vor, dass ein gemeinsames Kochen am Platz eine tolle Sache sein könnte (t.b.c.). Lasst Euch schmecken!     

Last but not least: der große Gewinner des Kaki Kultur Kick-Offs ist der Spitzname Fröhlich! Wir haben uns aber auch gefreut den Namen Lindenplatz zu hören. Zusammen mit dem Namensgeber August-Frölich kam der Spitzname auf eine große Mehrheit der Stimmen. So, jetzt haben wir keine Wahl mehr als Fröhlich miteinander! 

Foto Marina Bykova

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